Anna Konjetzky & Co

Über die Wut // Fränkische Nachrichten

Tanz – Mit geballten Fäusten

 
Fränkische Nachrichten, 20.12.2021 // Autor: Nora Abdel Rahman

 

Tanz – Mit geballten Fäusten
Stück „Über die Wut“ beendet das Jahr im Eintanzhaus

„Stopp!“, schallt es aus dem Off, während sich die Performerin von ihrem Platz wegbewegen will. Sie hält inne, geht zurück in ihre Sitzposition und versucht es erneut. Doch wieder zwingt die kurze Anweisung sie zurück in die Ausgangsposition. Das geht so weiter, bis sich dieser Vorgang verselbstständigt und in eine andere Form übergeht. Auf der Soundspur verzerrt sich das „Stopp!“, dehnt sich aus, verdoppelt und verdreifacht sich zu einem ausufernden Klangexperiment. Während die Tänzerin einen ähnlichen Prozess durchläuft: Ihr Körper spannt sich immer stärker an, mit geballten Fäusten beginnt sie einen Tanz, der sie mehr und mehr einem Ausnahmezustand annähert.
Eine Recherche „Über die Wut“ ist der in München ansässigen Choreographin Anna Konjetzky mit ihrer aktuellen Tanzarbeit gelungen. Wut sei ein Zustand, schreibt sie in ihrem Tanzprospekt, „der aktuell sehr präsent ist und als Produkt einer besorgten und ängstlichen Politik und Gesellschaft großen Raum in unserer Realität einnimmt“.

Verletzbarkeit der Seele

Auf der in Weiß gehaltenen Bühne im Mannheimer Eintanzhaus entfaltet sich das Szenario „Über die Wut“ mit der unermüdlichen Performance von Sahra Huby auf der herausfordernden Musik von Brendan Dougherty und der raffiniert genutzten Bühnenausstattung. Bald setzt Huby ihr Konterfei in einen von der Decke hängenden leeren Rahmen und zeigt ihren vor Wut angespannten Kiefer, fletscht die Zähne oder sperrt den Mund weit auf zum Schrei; bald wird ihr Gesicht durch eine Filmprojektion ersetzt, die wütende prominente Konterfeis zeigt; bald leuchten in der Luft hängende Wut-Lettern auf, ausgelöst durch einen Sprung der Performerin auf einen Schalter am Boden; alles ist hier in die verschiedenen Ausprägungen der Wut getaucht. Als sich die Akteurin nackt auf der Bühne zeigt, wird der Wutrausch für Momente stillgelegt. Jetzt offenbart die Tänzerin die ganze Verletzbarkeit des Körpers und der Seele.