Anna Konjetzky & Co

Abdrücke / Abdrücke folgen // Kulturvollzug

Abdrücke / Abdrücke folgen // Kulturvollzug

Vom Suchen und Finden der Zeichen

Kultur Vollzug, 01.06.2012 // Autor: Michael Wüst

Schon Ende der Achtziger sprach der Philosoph Jean Baudrillard von einer bevorstehenden Herrschaft der Zeichen. Zeichen allerdings, die referenzlos geworden seien, nicht mehr in der Lage, auf ihre Herkunft zu verweisen. Im Muffatwerk untersuchte Anna Konjetzky mit „Abdrücke / Abdrücke folgen“ in zwei Räumen eindrucksvoll diesen Prozess: Vom Körper, über seine Vermessung, zu den Zeichen, möglicherweise zur Welt. Eine Rekonstruktion. Oder eine Wiedereinsetzung. Im ersten Raum, dem Studio 1 des Muffatwerks, in der Mitte ein Kubus, kaum größer als ein Kubikmeter, verspiegelt. Im Inneren, der Körper der Tänzerin (Sarah Huby). Sie selbst sieht nur sich in tausend Spiegelungen, blind gegenüber dem Außen. Außen, wie in einem Jenseits, die Zuschauer. Sie sehen von allen Seiten hinein in den Würfel mit dem Körper. An der Rückwand des weißen Raumes, eine projizierte Innenansicht des Kubus mit der Tänzerin. Der Körper der Tänzerin verdreht sich, dreht sich, krümmt sich, zeichnet seine Bewegungen auf, textet. Er beschreibt auch die Innenkanten des Kubus, fährt ihn ab, scannt ihn. Die Tänzerin malt schwarz auf weißes Papier und weiß auf schwarzes. Ergebnisse, Vorhaben. Das reicht sie durch eine Spalte an den Kanten des Kubus hinaus ins Jenseits der Zuschauer. Jetzt, nach etwa einer Viertelstunde, wird ihr Atem sichtbar, die Innenseiten des Kubus beschlagen. Schlieren entstehen, Abdrücke von Hand und Fuß, Wischer. Der Körper wird unscharf und zeichnet weicher. Plötzlicher Black Out. Im Nachbild leuchtet im Inneren ein Bild, wie eine Malerei.

Abdrücke / Abdrücke folgen // Dresdner Neuesten Nachrichten

Abdrücke / Abdrücke folgen // Dresdner Neuesten Nachrichten

Die 10. Tanzplattform Deutschland ist in Hellerau eröffnet worden

Dresdner Neuesten Nachrichten, 25. Februar 2012 // Autor: Boris Michael Gruhl

Zu später Stunde dann, nach Wasser, Wein, Häppchen und vielen Hallos bei guter Festivalstimmung, im Nancy-Spero-Saal “Abdrücke” von Anna Konjetzky. Zwanzig Minuten, die einen starken Eindruck hinterlassen. Eine Frau im verspiegelten Glaskasten, ausgestellt und bloßgestellt, wir stehen davor, sie sieht uns nicht, wir sehen sie, wir hören ihren Atem, jedes Geräusch. Mal schwarz auf weiß, mal weiß auf schwarz, die Frau versucht, ihr Abbild festzuhalten, zunächst noch recht getreu dem Spiegelbild, verengt sich ihre Selbstwahrnehmung immer mehr auf Abstraktionen, Kritzeleien, Zufälle. Schließlich sind die Blätter leer. Durch kleine Schlitze schmuggelt sie die Botschaften ihres Verlöschens in die Außenwelt, bald kann man sie nicht mehr sehen, ihr Atem hat die Scheiben blind gemacht. Die Frau im Glashaus hat nicht mit dem Stein nach uns geworfen. 10. Tanzplattform Deutschland

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Abdrücke / Abdrücke folgen // Kulturvollzug

Abdrücke / Abdrücke folgen // Kulturvollzug

Intimität vs. Öffentlicher Raum

Kulturvollzug, 26. Juni 2011 // Autor: Jan Stöpel

Selbstverortung: Sahra Huby im Glas-Kubus. Foto: Anna Konjetzky Performative Entschleunigung und Konzentration inmitten der Isar-Meile des Filmfestes: Im Studio der Muffathalle kreist Anna Konjetzkys Installation “Abdrücke” und “Abdrücke folgen” mit Tanz, Video und Zeichnungen um das Verhältnis von Person und öffentlichem Raum. Die Frau in dem verspiegelten Glaskasten kann die Betrachter durch höchstens erahnen.Dennoch sind diese Menschen im Halbdunkel irgendwie Teil der Installation: Die Arme verschränkt oder den Kopf in eine Hand gestützt betrachten sie den schimmernden Lichtwürfel in der Mitte des Raums. Darin eben die Frau (Sahra Huby): mit geschmeidigen Bewegungen durchmisst sie den engen Raum des hell ausgeleuchteten Kubus, verspreizt sich in dessen Winkel, durchzirkelt ihre kleine eckige Welt. Beim Versuch der Selbstverortung steht sie unter Beobachtung, aus allen möglichen Perspektiven, und der Beamer wirft auch noch die Bilder einer Videokamera im Inneren des Glaskastens an die Wand. Da stoßen Intimität des Kubus und öffentlicher Raum massiv aufeinander. Zwischendurch zeichnet die Frau im hautfarbenen Bikini, die Zeichnungen finden den Weg nach draußen, wie Seiten eines Logbuchs. Per Microport übertragen sich die Geräusche aus dem winzigen Raum nach Außen. Schweres Atmen, ein leises Ächzen: die Erkundung ist so fiebrig wie anstrengend. Nach einiger Zeit beschlagen die Scheiben von innen, Knie, Füße, Ellbogen zeichnen sich im Film ab – flüchtige Spuren. Und immer noch schlendern die Zuschauer um den Kubus herum, eine Betrachtung aus immer neuen Blickwinkeln. Was machen sie sich für ein Bild, von sich, von andern, von uns? Bilder eines Bildes: “Abdrücke” in der Muffathalle. Foto: Anna Konjetzky “Abdrücke” und “Abdrücke folgen” lautet der Titel der zweigeteilten Choreographie von Anna Konjetzky, die um die Vermessung des Raums und des eigenen Körpers, um Selbstvergewisserung und -entäußerung, um den Kontrast zwischen der Biegsamkeit des Körpers und der Begrenztheit des Studioraums, zwischen Darbietung im anonymen öffentlichen Raum und der scheinbaren Intimität des Glaskastens kreist. In der zweiten Hälfte verlagert sich das Geschehen auf eine offene quadratische Fläche: Sahra Hubys Körper zeichnet Skulpturen aus Bewegung in den Raum, präzise Zirkel um eine unsichtbare Mitte, kurzzeitige Symmetrie der Bewegungen kurz vor der Auflösung. Abtasten, Spielräume versuchend. An der Wand wieder Spuren der Tänzerin: Röntgenaufnahmen, das Bild ihres Ausweises, wieder reiben sich die Intimität des von Scheinwerfern abgegrenzten Quadrats mit der öffentlichen Umgebung. Ein inspirierender Abend, manchmal schmerzhaft berührend. Selten sind wir uns so nahe wie beim unverschämten Betrachten eines – Anderen.

Abdrücke / Abdrücke folgen // Mittelbayerische Zeitung

Abdrücke / Abdrücke folgen // Mittelbayerische Zeitung

Versehrte Körper und erschöpfte Seelen

Mittelbayerische Zeitung, 11. November 2010 // Autor: Michael Scheiner

Die „Publikumslieblinge“ der Regensburger Tanztage zeigten ein beeindruckend breites Spektrum.
VON MICHAEL SCHEINER, MZ.

REGENSBURG. Am Ende sitzt die Tänzerin reglos, erschöpft in einer Ecke ihres gläsernen Käfigs. Die Scheiben von innen dick beschlagen durch ausgeatmetes, besser: ausgehecheltes, gekeuchtes Kohlendioxid. Eine innen installierte Kamera überträgt ihr in Schatten getauchtes Bild auf die rückwärtige Wand im Theater in der Alten Mälzerei, ein Mikrofon die Atemgeräusche. Ein wenig erinnert der Glaskubus an Damian Hirsts riesige Aquarien, in denen tote Tiere in Formalin schwimmen. „Abdrücke“ nennt die hochgelobte Münchner Choreografin Anna Konjetzky diese Tanz-Video-Installation, beeindruckend getanzt von Sahra Huby. Eine zweite, kürzere Performance stellte das Duo mit „Elefantengedächtnis“ im ersten Teil des Abends unter dem Titel „Tanzszene Bayern – Publikumslieblinge“ vor. Konjetzkys Tanzbilder bleiben im Gedächtnis. Für „Elefantengedächtnis“ hat sie bei der „euro-scene“ 2009 in Leipzig den 1. Preis für das „beste deutsche Tanzsolo“ erhalten. Anfänglich eher absonderlich, wirkt der stolpernde, stürzende, durch kurze und längere Holzstöcke prothesenartig verlängerte Körper (der Tänzerin) behindert, versehrt, beschädigt. In Kniekehlen, Armbeugen und unters Kinn gebohrt, sind die Stöcke Stütze und Erweiterung der Gliedmaßen und zugleich – mangelhafter – Ersatz und Brandzeichen des Ausgestoßenen, des Verfalls und eines bohrenden Schmerzes, der allerdings auch in ein – befreites? verzweifeltes? – Lachen übergehen kann. Keinen Deut weniger ausdrucksvoll: Huby als suchende Frau im gedeckelten Glaskasten, wo sie immer hektischer und manischer ihre Umrisse zeichnet, kritzelt, ins Papier presst. Es ist ein zunehmend verzweifelteres Anrennen gegen das sich auflösende Spiegelbild, ein seelenwundes Bemühen, sich selbst zu erschaffen und zu fassen. Ein vergebliches Bemühen, Sisyphos nicht unähnlich, diesem aber durchs Scheitern überlegen.

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Abdrücke / Abdrücke folgen // Rheinische Post

Abdrücke / Abdrücke folgen // Rheinische Post

Inspirierend: Anna Konjetzky im Tanzhaus

Rheinische Post , 10. Juli 2010 // Autor: Stephanie Becker

In der Mitte steht ein Kasten. Er ist von allen Seiten einsehbar. Eine Frau in hautfarbener Unterwäsche sitzt darin. Die Zuschauer um sie herum kann sie nicht sehen. Das Glas ist von innen verspiegelt. Sie zeichnet ihr Porträt auf Papier – wie eine Besessene. Dreht sich, windet sich, versucht, jeden Millimeter ihres Körpers zu erfassen. Der Kopf ist rot, sie schwitzt, rutscht, stöhnt. Ist noch Sauerstoff in dem Kasten? Die Reihe “Now and Next” im Tanzhaus NRW will neugierig machen auf junge Künstler. Die Münchener Choreografin Anna Konjetzky stellt sich mit dieser beeindruckenden, voyeuristischen Installation vor.

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