Anna Konjetzky & Co

Testlauf // Kulturvollzug

Partys in Zeiten des Krieges

Kulturvollzug, 5.11.2015 // Autor: Michael Weiser

Milo Rau führt bei Spielart seine Europa-Schau im Marstall mit “Dark Ages” fort: Die selbe Machart wie bei “Civil Wars”. Ebenso fesselnd. Der Abend fand seine Fortsetzung in der Muffathalle, beim Flanieren in Anna Konjetzkys Sperrholz-Parcours: ein unterhaltsamer “Testlauf” zu später Stunde.

Die Stadt, der Raum und wir: Eine Selbstverstädlichkeit, ganz neu verhandelt bei Anna Konjetzkys “Testlauf”

Die Stadt, der Raum, die Unterhaltung

Zu später Stunde in der Muffathalle: Auf einem mit Seilen abgetrennten Parcours mit Podesten und Rampen verteilen sich rund 50 Zuschauer und fünf Tänzer, Sahra Huby, Quindell Orton, Sara Sampelayo, Damiaan Veens und Jorge Rodolfo De Hoyos. Zwei der Podeste sind zu Beginn schon besetzt und bleiben es, auf ihnen haben die Musiker Brendan Dougherty und Miguel Casaponsa Platz genommen. Ein „Testlauf“ ist angesagt, mit „Chefingenieurin“ Anna Konjetzky, die ergründen möchte, wie Kommunikation den Raum bedingt und umgekehrt. Die fünf Tänzer bilden eine Reihe, die sich langsam dreht, und machen Gesten, die man als einladend interpretieren darf, sie bewegen sich, als wollten sie die Zuschauer ins Geschehen ziehen.

Was alsbald geschieht: Wer sich’s eben noch auf einer Rampe bequem gemacht hatte, befindet sich bald in Gewühl. Die Tänzer (oder Führer durch den imaginären urbanen Raum) lotsen den Strom mal hier hin, mal dorthin, während sich durch das Umklappen von Bretten und Rampen an Scharnieren der Parcours immer mal wieder verändert. Leblose Räume entstehen, gleich daneben Zonen, in denen die Menschen ihrerseits zu tanzen beginnen. Verbindlich ist nichts, man kann sich irgendwo hinsetzen und zuschauen. Man kann aber auch flanieren und sich unterhalten. Dazwischen immer wieder mal die Tänzer: Kontakt-Impro als Symbol für das soziale Interagieren, das Zerren und Folgen, das streiten und einander bestärken.

Die Rampe, auf der ich zuerst gesessen hatte, entpuppt sich schließlich als Theke: Es werden Wasser und Wein gereicht, hier klingt der Abend aus. Unterhaltsam. Ein „Testlauf“, den jeder der Zuschauer anders erlebt haben wird. Und unterschiedlich unterhaltsam. Es ging schließlich um Kommunikation. Wer gar nicht mitmachte – blieb draußen. Auch darin sind die Ähnlichkeiten zum realen urbanen Raum alles andere als zufällig.

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