Anna Konjetzky & Co

songs of absence // Kritiken

Anna Konjetzky «Songs of Absence»

Salzburg

der-theaterverlag.de // März 2024 // Autor: Carmen Kovacs

Nicht jede laute Arbeit ist eine gute Arbeit – diese schon. Anna Konjetzky hat etwas zu sagen, das nicht verschwinden darf. In München ist sie mit ihrem Team seit vielen Jahren eine richtungsweisende Institution, die lokal wie international Verbindung und Vernetzung innerhalb der Tanzszene aktiv sucht, ermöglicht und gestaltet. Man darf die «Songs of Absence», uraufgeführt beim Münchner Theaterfestival «spielart», im Kontext dieses Austauschs verstehen, als Teil einer queerfeministischen, gesellschaftspolitisch verankerten künstlerischen Praxis.
Während es mit großer Dringlichkeit um das Sichtbarmachen von Leerstellen geht, um das Vergessene und Verdrängte, tragen sich diese Inhalte in einer charmanten Albumstruktur vor. In einem Halbrund aus Projektionswänden sind zwei Standmikros positioniert, die von Beginn an markieren, dass es einiges zu sagen gibt. Und tatsächlich spielt der Text, das Aus- und Ansprechen, das Verschlucken, Mutieren und virtuose Ineinandermorphen von Wörtern und Sätzen eine tragende Rolle. In einem fast symbiotischen Verhältnis mit dem Soundtrack (Sergej Maingardt) führt uns der phänomenale Cast aus sieben Performerinnen durch verkörperte Attitüden, persönliche Ansprache, ekstatisches Sprechen, Rap, Parolen, Poesie. Manches Hervorbringen wird zur schweren Geburt, die Bewegung zur Begleiterscheinung der Bedeutung.
Wie das alles in Bewegungssprache aussieht, scheint sowieso in vielen Momenten zweitrangig – und doch sind die Ausdrucksformen so konkret und spezifisch, dass die erfahrene choreografische Direktive dahinter klar zu spüren ist. Mal sind es statische Bilder, schöne Verkomplizierungen, in denen die Körper ineinanderschlüpfen und sich wieder lösen, einander stützen und halten. Und mal sind es tänzerisch befreite Phrasen, die die affirmative Kraft der Bewegung beschwören. In einem Moment sieht man obsessives Abarbeiten der Gruppe aan sich selbst. Und im nächsten eine E-Gitarre, die von zwei Perfromerinnen mit Objekten bearbeitet und auf wilde Weisen zum Klingen gebracht wird.
Wir erleben Gesten der Verneinung, die in der kollektiven Ausführung zu bejahenden Gesten der Zusammengehörigkeit werden, zur schwesterlichen Umarmung. Wir schauen einem Ensemble zu, das seine Mittel bestens im Griff hat und seinnen selbstermächtigten Zugang bis in die Gestaltung des Lichts versteht. Handwerklich und dramaturgisch ist das so gut, dass man zwischenzeitlich vergisst, worum es eigentlich geht. Zum Glück kommt mit dem Finale die fürsorgliche Ohrfeige, die feststellt, ob man noch da ist.

Auf der Sonnenseite des Bebens

Süddeutsche Zeitung, 06.11.2023 // Autor*innen: Yvonne Poppek/Egbert Tholl

Im schönen Kontrast dazu gibt es die Uraufführung von „songs of absence“ der Münchner Choreographin Anna Konjetzky, konzipiert wie ein Album, durchzogen von starken Bildern, klug feministisch positioniert.

Kunst des Spielens

Abendzeitung München, 02.11.2023 // Autorin: Vesna Mlakar

„Songs of absence“ steckt voller Lyrics (…) Starke Worte, gespickt mit Gedanken, die weiter hineinwirken in ihre – im Inneren – heftig bewegte Performance. (…) Emotional steigert sich das Ganze zu einer zunehmend erregten Aufzählung, die in einem Schluckauf aus bloß noch einzeln hervorgestoßenen Vokalen gipfelt. Immer wieder bleiben den sieben Tänzerinnen Worte im Hals stecken. Oder die Sätze versacken im Übergang zu einer anderen Aktion. (…)

Die Kunst des Spielens mit Inhalt und Form beherrscht Anna Konjetzky gut. Doch der Choreografin, die seit mittlerweile 18 Jahren regelmäßig von einer gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung geprägte Tanzstücke in München und weltweit auf die Bühne bringt, geht es niemals bloß um das Formale. Zu groß scheint ihre schier unstillbare Lust zu sein, ein Publikum impulsiv-thematisch zu vereinnahmen. Und genau das gelingt Konjetzky dank ihrer famosen Protagonistinnen Sahra Huby, Amie Jammeh, Sotiria Koutsopetrou, Jin Lee, Quindell Orton, Martha Pasakopoulou und Hannah Schillinger.