Don’t touch // Accesstodance
Don’t touch // Accesstodance
Stimmen aus dem Einmachglas
Accesstodance, 17. September 2008 // Autor: Isabel Winklbauer
Wer hätte das gedacht? Der beste Moment einer gelungenen Tanz-Installation kann ihr Ende sein. Als Anna Konjetzkys Darsteller ihre Hüllen, Rahmen und Schlingen abstreifen, die sie während des Programms tragen, löst sich die düstere Körperschau in geradezu explosiver Erleichterung auf! Die elf Tänzer lockern ihre gespannten Gesichtszüge, hüpfen lachend durch die Muffathalle und nehmen ihren Applaus entgegen. Zurück bleiben leere Schauplätze wie Kokons, in denen gerade noch Körper gefangen waren. Konjetzky baut die Spannung, die diesem Ende voraus geht, geschickt auf. Wie in Frankensteins Gruselkabinett treten die Besucher von „Don’t touch“ zu Anfang: Von der Decke hängen fünf nackte Menschen in Seilen, etwas weiter kleben ein Mann und eine Frau wie Puppen mit einer Stange verbunden an einander, Rücken an Rücken. Eine Dame im Abendkleid windet ihren nackten Rücken in einem sperrigen Bilderrahmen, ein in Mull Gewickelter steht wie ein frisch geklontes Alien auf einem See von Glasscherben, eine andere Nackte scheint in ihrer hängenden Zellophanhülle auf ihre Geburt noch zu warten. Neun solcher Exponate gibt es, eines berückender als das andere. Sie alle scheinen durch und durch künstliche Körper zu sein, oder, schauerlicher, in Einmachgläsern aufbewahrte Sonderbeispiele des Homo Sapiens. Eine „Körperwelten“-Ausstellung der anderen Art. Oder leben diese Geknebelten, zur Schau Gestellten vielleicht nur in einem besonders langsamen Paralleluniversum? Ein bisschen winden sie sich ja. Und es gibt merkwürdige Geräusche. Ein Schmatzen und Schnarren, das an scheußliche Tiere denken lässt, aber genau so gut Magengluckern sein könnte, wie man es im Körperinnern hört. Oder in Zeitlupe. Die Besucher saugen jedenfalls jedes Lebenszeichen gierig auf, strömen wie Mücken dahin, wo die wechselnden Scheinwerfer sie hinlenken. Vor allem um das Meisterwerk der Schau versammeln sie sich: Ein Tryptichon, das zu zwei Teilen aus gespenstischen Schattenbildern besteht (Bühne: Anton Lukas) und zum Dritten aus der Tänzerin Sarah Huby, die als nacktes, lebendes Relief eine Art intellektuelles Pole Dancing an der Leinwand vollführt. Dank ihrer perfekten Proportionen und ihrer wissenden Bewegungen, die sie doch nicht von ihrer Tafel befreien, ist das sonderbar beruhigend anzuschauen, und so wohnt dem ganzen, gequälten Panoptikum hier schon ein Stück Hoffung inne. Leider vergehen fast 60 Minuten, bis die Tänzer aus ihrer Cryo-Starre erwachen. In dieser Zeit dürfte sich doch etwas mehr bewegen. Aber das wichtigste ist ja: Es ist alles nur ein Spiel. Kaum ändert man die Bewusstseinsebene und wird vom Gequälten zum Darsteller eines Gequälten, wird geklatscht und gefeiert. Ein herrliches Gedankenspiel.